Image Detail Page 0
Image Detail Page 1
Image Detail Page 2
Image Detail Page 3
Image Detail Page 4
Image Detail Page 5
Image Detail Page 6
Image Detail Page 7
Image Detail Page 8

2025 Umbauten / Renovationen, Olten

Nachhaltiger Umgang mit bestehender Bausubstanz

Nachhaltiger Umgang mit bestehender Bausubstanz

Zwischen 1936 und 1938 entstanden in Olten die fünf Mehrfamilienhäuser der Bebauung Martin-Distelistrasse / Florastrasse. Bauherr der Wohnbauten mit den insgesamt 32 Wohnungen war Josef Atzli aus Olten, welcher auch als Architekt und Bauunternehmer der Bauten fungierte. Im Norden an der Sonnhaldenstrasse befinden sich zwei weitere Wohnbauten desselben Architekten, welche zusammen mit den erwähnten Häusern die Blockrandbebauung komplettieren.

Im Inneren der Bauten sind die Treppenhäuser mit den gefliesten Wänden, die liebevoll gestalteten Treppengeländer und die sorgfältig ausgeführten Schreinerarbeiten der Milchkästen erhalten geblieben und zeugen von einem, für damalige Zeit, hochwertigen Ausbaustandard.

Auf der Hofseite unterteilten kleine, auskragende Balkone, welche mit seitlichen Schotten an die Aussenwände verankert wurden, die Vertikale der Fassaden. Auf den gegenüberliegenden Seiten der beiden Hauszeilen, nach Süden bzw. Westen orientiert, wo sich ursprünglich die Vorgärten der Häuser befanden, ist das Fassadenbild durch horizontale, jeweils auf einer Seite abgerundete Balkone bestimmt.

Auf Grund einer Untersuchung, welche die Verwaltung für eine beinahe identische Bebauung desselben Architekten in Auftrag gegeben hatte, wurde die Eigentümerin mit der Tatsache konfrontiert, dass der statische Nachweis der Hofbalkone vermutlich nicht mehr erbracht werden kann. Daher bestand dringender Sanierungsbedarf der Hofbalkone.

Im Zuge der Sanierung plante die Eigentümerin die Häuser auch energetisch zu modernisieren und die Energieeffizienz der Gebäude zu verbessern. Dazu gehörte auch der Austausch der alten Heizanlagen durch zwei Erdsondenheizungen sowie die Installation von Photovoltaikanlagen auf den Dächern.

Vier neue Balkontürme auf der Hofseite

Die bestehenden Hofbalkone wurden komplett entfernt. An ihrer Stelle stehen heute vier eigenständige Balkontürme aus vorfabrizierten Betonelementen.

Die Statik der Balkone übernehmen raumhohe Z-Elemente, welche die horizontalen, auf beiden Seiten weit auskragenden Betonplatten tragen. Durch die abgewinkelte Geometrie dieser Elemente entstehen kleine Aussenräume, welche als Aussenreduits, die in ihrer Fläche um gut das Doppelte vergrösserten Balkone zusätzlich aufwerten. Gleichzeitig schaffen die Z-Elemente räumliche Distanz zwischen den Nutzern und garantieren die geschätzte Privatsphäre.

Energetische Sanierung

Im Zuge der Sanierung wurden sämtliche Fassaden nach den Vorgaben des kantonalen Gebäudeprogramms mit einer hochwertigen Mineralfaserdämmung gedämmt, verputzt und gestrichen.

Die Holz-Jalousien wurden entfernt und durch Faltschiebeläden, welche bei geöffnetem Zustand aus den Leibungen ragen, ersetzt. Die goldfarbig anodisierten Aluminium-Fronten der Faltschiebeläden sind mit einer feinen Perforierung versehen. Bei den Schlafzimmern lassen sich die Lochungen durch ein in den Laden integriertes Blech verschliessen.

Die millimetergenaue Massarbeit der rationellen Sanierung war eine grosse bautechnische Herausforderung aller Beteiligten. Die alten Wände waren schief und krumm und teilweise um Zentimeter aus dem Lot geraten. Dem gegenüber lieferte der moderne Stahl- und Betonbau industrielle Massarbeit. Zueinander konnte das nur finden, indem die Fassaden mit digitaler Technik vermessen und die Daten in die Programme der Planer übertragen wurde.

Gebäudetechnik / Beitrag zum Klimaschutz

Für die Energiegewinnung wurden Erdsondenbohrungen mit geologischer Begleitung, welche hofseitig im Abstand von ca. 10 Meter gebohrt wurden, ausgeführt. Zwei Wärmepumpen versorgen die 32 Wohnungen mit umweltfreundlicher Energie.

Durch die Nutzung der Sonnenenergie mittels Photovoltaikanlagen werden Energiekosten gespart und dadurch einen Beitrag an den Klimaschutz geleistet.

Umgebungsgestaltung Innenhof und Vorgärten

Konzept

Die Umgebung der Überbauung steht exemplarisch für eine Siedlungsform mit gemeinschaftlicher Prägung. Historisch diente die Umgebung primär der gärtnerischen Nutzung - mit Gemüsegärten, Blumenbeeten und Obstbäumen - die eine enge Verbindung zwischen den Bewohner:innen und der Natur sowie untereinander förderte. Dieses gemeinschaftliche Grundprinzip wurde in der Neugestaltung aufgenommen und zeitgemäss interpretiert. Das Konzept zielt darauf ab, die historische Nutzung als gemeinschaftliche Gartenlandschaft sichtbar zu machen und in eine heutige Wohnumgebung zu überführen, die nachbarschaftlichen Begegnungen und ökologische Vielfalt fördert.

Umgebungsgestaltung und Vegetation

Ein zentrales Element der Neugestaltung ist die Aufwertung der Freiräume mit Fokus auf sozialer Interaktion, Klimaanpassung und ökologischer Qualität. Die vormals stark versiegelte Martin-Disteli-Strasse wurde grossflächig entsiegelt. Dadurch entsteht nicht nur ein kühlender Effekt auf die angrenzende, stark besonnte Fassade, sondern auch neuer Raum für eine vielfältige und durchgrünte Gestaltung.

Die bestehende Vorgartensituation entlang der Florastrasse wurde aufgegriffen und gestalterisch aufgewertet. Neue Elemente zur Förderung der nachbarschaftlichen Begegnung wurden integriert, während die klare Raumstruktur durch Schnitthecken beibehalten und gestärkt wurde. Diese Hecken übernehmen dabei auch die Funktion eines Sichtschutzes zur angrenzenden Strasse und tragen zur Rückzugsqualität der gemeinschaftlichen Freiräume bei.

Die Bepflanzung wurde differenziert und quartiersbezogen entwickelt: Säulenförmige Bäume entlang der Martin-Disteli-Strasse fügen sich dezent in die engen Vorgärten ein und gewährleisten gleichzeitig die notwendige Durchgrünung. An der Florastrasse kommen kleinkronige Bäume zum Einsatz, die dem Strassenraum eine stärkere Struktur geben und Schattenflächen schaffen.

Auch die Staudenflächen sind mit besonderer Sorgfalt geplant: Sie zeigen ganzjährig einen hohen gestalterischen Wert - mit wechselnden Blüteaspekten, interessanten Blattstrukturen und einer attraktiven Winterstruktur. Gleichzeitig sind sie robust, langlebig und pflegeleicht.

Die Pflanzkonzeption der Gehölze berücksichtigt sowohl ästhetische als auch ökologische Aspekte: Ein Blütenmeer im Frühling und eine intensive Herbstfärbung prägen den Jahresverlauf. Obwohl einige Obstgehölze im Zuge der baulichen Massnahmen entfernt werden mussten, wurde die Idee der produktiven Gärten erhalten und durch gezielte Neupflanzungen sogar gestärkt. Die neu gepflanzten Gehölze und Hecken setzen die bestehende Gartenstruktur fort und schaffen ein differenziertes, vielschichtiges Freiraumangebot mit starkem Bezug zur Geschichte des Ortes.

Materialisierung

Die Materialwahl reflektiert sowohl die historische Situation als auch das heutige Bedürfnis nach Orientierung, Dauerhaftigkeit und Ausdruckskraft. Grossformatige Betonplatten markieren die Freiräume und symbolisieren die kleinteilige, verschachtelte Struktur der früheren Gartennutzung. Diese Interpretation schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Die verwendeten Materialien zeichnen sich durch Robustheit und Langlebigkeit aus. Sie fügen sich harmonisch in das Gesamtbild der Überbauung ein und unterstreichen die klare Gliederung der Aussenräume. Gleichzeitig setzen sie bewusst gestalterische Akzente, ohne die bestehende Bausubstanz zu dominieren. Die Materialisierung steht damit im Dienst eines respektvollen, zeitgemässen und nachhaltigen Umgangs mit dem Bestand - im Sinne einer weitergedachten Baukultur.

gabriel herrgott

grünwerk1 landschaftsarchitekten ag