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2020 Umbauten / Renovationen, Aarau

Ausbau zweite Dachgeschossebene und Sanierung Fassaden

Hoch über den Dächern von Aarau

Das Wohn- und Geschäftshaus am Schlossplatz 1 steht an der Stelle, die als Geburtsort der modernen Schweiz bezeichnet werden kann. Hier stand einst der herrschaftliche „Gasthof zum goldenen Ochsen“, der als Residenz für die französischen Gesandten diente, welche 1798 hier die neue Schweiz, genannt Helvetische Republik, planten.

1928 wurde der Gasthof abgerissen und durch ein Wohn- und Geschäftshaus ersetzt. Der Zürcher Architekt Otto Gschwind (*15. März 1883), welcher von 1912 - 1945 als selbständiger Architekt in Zürich ein Architekturbüro führte und von 1915 - 1925 in einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Architekten Anton Higi arbeitete, war für seine Siedlungen, welche er für die zahlreichen Genossenschaften plante, bekannt. Bis zu seinem Tod im Jahre 1948 erstellte der Architekt über 2'000 Wohnungen in Zürich und der nahen Umgebung.

Geplant hatte Otto Gschwind das moderne Haus am Schlossplatz als Eisenbetonbau mit markanten Unterzügen und nur gerade zwei massiven Stützen, welche das Innere des Hauses prägten. Gegen Norden, wo sich das Cinema-Theater befand, versorgte ein grosszügiger Lichthof die Räume der Obergeschosse mit Tageslicht.

Von 1953 - 1971 diente das Geschäftshaus als Warenhaus, bekannt als Oscar Weber. Es war das erste Warenhaus im Kanton Aargau. In dieser Zeit hatte das Haus verschiedene Umbauten erfahren. So wurde 1957 der Lichthof zu Gunsten einer grösseren Ausnutzung komplett verbaut. Weitere, sehr unsachgemässe Eingriffe, welche durch einen Spekulanten in den 2010-Jahren vorgenommen wurden, brachte schliesslich die oberste Dachgeschossebene fast zum Einsturz. In einer Nacht- und Nebelaktion wurden einige provisorische Stützen eingebaut und unzählige Nagelbänder befestigt, die als Ersatz der entfernten Streben und Büge den Dachstock sicherten.

Als wir mit den Umbauarbeiten der zweiten Dachgeschossebene beauftragt wurden, war bald klar, dass es für den alten Dachstuhl keine Rettung mehr gab. Auch ein Teilersatz war keine Option, da bereits zu viele statische Elemente entfernt wurden. So musste schliesslich der gesamte Dachstuhl bzw. was noch davon vorhanden war, zurückgebaut- und durch eine neue Holzkonstruktion mit tragenden Stahlstützen ersetzt werden. An der Stelle, wo sich einst der Lichthof befand, haben wir in Anlehnung an die Grundidee des Architekten, ein Atrium ausgespart. Grossformatige Fensterfronten umschliessen heute diesen Aussenraum ohne dass dadurch die Privatsphäre der Bewohner beeinträchtigt wird. Eine Wendeltreppe, die sich wie eine Spirale in die Höhe windet, erschliesst auf kleinster Fläche die Dachterrasse mit phantastischem Blick auf die Dächer der Altstadt von Aarau. In der Nacht wird die Treppe, dank integrierten LED-Bändern, zum Lichtkörper.

Im Innern prägen natürlich belassene Materialien die Atmosphäre. Sägeroher Eichenparkett, Feinsteinfliessen und mineralisch verputzte Oberflächen tragen zu einer angenehmen Atmosphäre bei. Die zurückhaltende Farbgebung der Oberflächen verleiht den Räumen Ruhe und Gelassenheit.

Aarau, 6. Februar 2022, Andreas Marti